Aus dem ersten Buch

Buchcover
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Auf ein Wort - vor dem Vorwort

 

Dem Pfeffer bedeutet der Hase nichts, doch für den Hasen - so sagt man - ist der Pfeffer ein wahres Schreckgespenst. Ist er erst einmal gestreut, so muss der Hase niesen und wenn der Hase niest, kann er nicht rechtzeitig fliehen. Dem Jäger, der den Pfeffer verstreute, ist dies nur recht, denn so kann er das Wild besser erlegen. So fürchtete der Hase den Pfeffer seit der Erfindung des Schrotgewehres, und floh, lief im Kreise und schlug Haken oder aber tat andere, gar absonderliche Sachen, sobald er die körnige Gefahr aus dem langen Prügel roch. 

 

 

Vorwort

 

Dem schwarzen Bilsenkraut haftete immer etwas Verbotenes an. Und in der Tat ist es ein verheerendes Kraut, welches mit anderen Zutaten, oder auch alleine, über Jahrtausende hinweg verwendet wurde und nun heute fast völlig in Vergessenheit geraten ist. Das Kraut verfügt über betäubende und halluziongene Eigenschaften und ließ Menschen Dinge sehen, die sonst nicht vorhanden waren, verfremdete eine vorher vertraute Welt, verursachte, dass Menschen sich in gehörnte Bestien* - in Geweihträger - verwandelten und ihr Gegenüber auch nur noch als solche wahrnehmen konnten.** Dinge, die gegen Naturgesetze verstießen, geschahen und oftmals war dieser letzte Blick auf etwas, das nicht sein durfte, auch das letzte Geleit in den Tod.

 

Starben die Menschen nicht, sondern überlebten, so galten die Ärmsten zumindest als verrückt. Eine leichte Vergiftung durch die Droge reichte da schon aus, um sich, mit einem frisch gewachsenen Geweih versehen, im allerschlimmsten Alptraum wieder zu finden aus dem es keinen Ausweg gab. Der Irrsinn war ein hoher Preis für den Genuss.

    

Wirkliches Hexengelichter wusste um die Wirkung des Krautes, wusste dass diese Pflanze tödlich giftig wirkte, und nutzte es trotzdem für Zaubertränke und Zaubersprüche. Denn Hexen vermochten durch die Beimischung von schwarzem Bilsenkraut in ihre Zaubertränke, auf ihren Besen durch die Lüfte zu fliegen.

 

Das schwarze Bilsenkraut besitzt vielerlei Namen. So nennt man es unter anderem Schlafkraut, Tollkraut, Götterpflanze, Götterbohne, Hexenkraut, Hexenpflanze oder auch Teufelsauge, denn stets brachte man das stinkende Gewächs mit dem Teufel in Verbindung.*** So sagte man: Koste nur vom Teufelsauge und es dauert nicht lange und es klopft der Gehörnte mit seinem Pferdefuss an die Türe. Bilsenkraut wurde oftmals für Giftmorde eingesetzt.****

 

Selbst dem Pils wurde das Bilsenkraut noch im 15. Jahrhundert beigefügt. Zum einen um die Rauschwirkung zu erhöhen, zum anderen um die Haltbarkeit des Bieres zu gewährleisten. In Zeiten der Not und des Hungers mischten die Müller Bilsenkraut unter das Mehl, hauptsächlich um das knappe Mehl zu strecken. Brot wurde daraus gebacken, Brot gegen den Hunger und für jeden, der das Mehl bezahlen konnte und essen wollte, so dass auch das Kleinkind schon Hexen am Fenster vorbeifliegen sah.***** Wen verwundert es da noch, dass in den dunklen Zeiten des Mittelalters so viele mutmaßliche Hexen und vermeintliche Gehörnte verbrannt wurden.  

 

Auf ein Wort - nach dem Vorwort 

 

"Des Hasens Pfeffer oder Elisas Suche nach dem großen Huhn"

ist eine Geschichte über die Eifersucht zweier Schwestern aufeinander, deren Hass bis in den Tod reicht, und über die Flüchtigkeit des Lebens sowie eine Warnung vor der Sucht jeglicher Art. Das Leiden der Hasen, das Ei und der ewige Versucher - der Jäger - sind eine Parabel auf die beiden Mädchen und ihr Leben. Das abgrundtief Böse - der Teufel in seinen verschiedenen Gestalten - hält die Versuchung wie eine Drohung in seinen Händen, für den willigen Empfang bereit.

 

Die beiden Schwestern Martha und Elisa leben im noch jungen

19. Jahrhundert, in England, ganz in der Nähe von London, in der Zeit der ersten Gaslaternen. Sie wachsen in einem reichen Haushalt auf, in dem die Geburten von Mädchen kein Makel sind und in dem ein Stammhalter nicht dringlich gewünscht wird. Trotzdem führen die beiden Mädchen kein schönes Leben. Stattdessen machen sie sich im Kampf um die Liebe der Eltern und im Neid aufeinander das Leben zur Hölle, so lange, bis die ältere Schwester Martha an Diphtherie stirbt. Elisa erkrankt ebenfalls, überlebt und wird durch die Heimsuche des Geistes ihrer Schwester geläutert. Durch die vermeintliche Endgültigkeit des Todes ihrer Schwester und deren Erscheinen zur nächtlichen Stunde sieht sie endlich ein, wie sinnlos all die Streitereien zu Lebzeiten dieser gewesen waren. Sie ist erschreckt und verwirrt über ihre Gefühle und empfindet tatsächliche Trauer über den Verlust. Wie bei dem Hasen, der den Pfeffer bereits riecht, der durch die Hand des Jägers gestreut werden wird, flüchtet Elisa vor dem Leben, getrieben von dem Geist der Schwester, lässt alles los, was ihr vormals so wichtig war, und verlässt noch in der Nacht das sichere Zuhause. In Elisa erwacht die fixe Idee, wenn sie ihre Martha findet, dass diese auch wieder am Leben sein wird. Sie will die Uhr des Geschehenen wieder zurückstellen. Zwischen Wachen und Träumen begibt sich Elisa auf die Suche nach der Toten, erliegt den Versuchungen ihrer Verführer, die sich, als Fabelwesen getarnt, ihr in den Weg stellen, verfällt letztendlich der Sucht zum schwarzen Bilsenkraut und tanzt so immer weiter zwischen Erde und Himmel, auf einem immer dünner werdenden Seil, so lange bis dieses letztendlich reißt, erblickt schließlich das große Huhn, mit all seinen Wundern, und verändert sich dabei für immer.

 

In vielen Kulturen steht die Farbe weiß für Trauer und den Tod. Elisas Suche nach ihrer toten Schwester ist auch eine Suche nach dem großen Huhn, welches sich schließlich in seinem strahlend weißen Federkleid präsentiert und für die Allmacht der Göttlichkeit und den Tod steht.

 

 

Noch eine Leseprobe. 

 

 Herbst: Ein Molch im Teich

 

.....Sein Weg geleitete ihn nicht direkt zu dem Eindringling. Denn er war ein Gott und er hatte Zeit. Ein Abstecher ins hohe Grün auf ödem Lande musste letztendlich noch unternommen werden, denn Hilfe schien, wenn auch nicht laut geäußert, dringlich erbeten zu sein. Geraschel verriet nicht, was der Molch in den Tiefen des Dickichts trieb. Doch mit einem einzigen Blatt im großmäuligen Maul, an dessen Stängel noch mehr sonderbare Blätter hingen, verließ er die geheiligte Plantage, die aus der Ferne wie ein wogendes, schmutziges Meer einer beginnenden Krautplage wirkte, dazu einen überaus hässlichen Geruch verströmte, der die Nase kräuselte und Geister sehen ließ; und strebte dann erst dem horngeschwängerten Garderobenständer entgegen und vollbrachte dabei noch das Kunststück zu singen.

 

Eine Unbezwingliche, Tochter der Götterbohne,

alleine mein -  allein mein Gut.

Götterbohne, höre nur, wie ich dich lobe.

Gebiete deinen Kindern, schwach zu sein.

Götterbohne, mache doch, dass ich andere verschone.

 

Der Molch kaute noch auf einer Bohne herum und stürzte schon zur krummen Elisa. Er trällerte sein Lied und richtete sich auf seinen Hinterbeinen auf, sodass er den Garderobenständer mehr als um Haupteslänge überragte und stützte sich dabei mit seinem Schwanz ab, um sich im Gleichgewicht zu halten. "Kaue und schlucke, kaue und schlucke", befahl er. Er stopfte ihr einen Teil des Krautes in den Mund. Ihr blieb gar nichts anderes übrig als zu schlucken, sonst wäre sie erstickt. Nachdem er seine Tat vollbracht hatte, begann er, Elisa mit seiner langen, klebrigen Zungen genüsslich abzuschlecken. Seine Zunge sonderte dabei einen ekeligen, öligen Schleim ab. Krumm und unbeweglich wie sie war, mit zu Boden gesenktem Horn, konnte sie nur das geschehen lassen, was geschah.

 

Die raue Zunge des einen Gottes glitt in aller Eifrigkeit über ihre blanken Arme, über Beine, Füße und erwischte selbst unzugängliche Flecken, die sie lieber weiter verborgen geglaubt hätte, auch ihr Nachtgewand sparte er nicht aus. Es bekam einen ebenso von Speichel getränkten Anstrich verpasst. Oh ! Er stank so !

 

"Lichtschutzfaktor 27 und absolut wasserfest ! Wer sich in der Natur aufhält, sollte sich auch eincremen", lutschte er an ihr herum. Schneller als sie gedacht hätte, hatte sie es überstanden. "Das sollte genügen." Der Gott verpasste ihr einen abschließenden, kräftigen Stoß.

 

Wieso mit Sonnenöl einschmieren, wenn es Nacht war? Mondlicht erhellte noch immer die Lichtung, nicht die Sonne. Die Welt war auf den Kopf gestellt. Sie fühlte sich merkwürdig. Sie fühlte sich sehr beweglich. Sie dachte zumindest, dass sie fühlte. Elisa flog durch die Luft, in ihrer ganzen, festgefahrenen Unbeweglichkeit gefangen, schlug einen schlaffen, eiförmigen Salto, landete wie ein Brett im tiefen Wasser, verspürte keinen Schmerz und ging unter. Als ihre Füße im Schlamm des Teiches versanken und die Wasseroberfläche sich immer weiter entfernte, hörte sie über sich mit dumpfer Stimme den Molch singen.

 

Meinen Unbezwinglichen trauen,

heißt auf Treibsand bauen.

 

Die Götterbohne ist nur für mich.

 

Ein Blatt:

Lässt dich die Welt quer sehen.

Sperre dich ein, alleine im Zimmer. Sofort !

Geh niemals raus, lasse niemanden rein.

 

Zwei Blatt:

Man muss dich kräftig schelten.

Denn du wirst auf wirre Reisen gehen.

Winde werden dich durcheinander wehen.

 

Drei Blatt:

Zu spät kommt die Reue dort.

In deinem Hirn bleibt nur ein großes Loch.

Und du bleibst für immer fort.

 

Und die Bohne ist nur für mich

 

 

Ein kräftiges Platschen und ein gewaltiger Ruck an ihren Hörnern ließ sie

endlich doch den Sauerstoff vermissen. Ihr kam noch der Gedanke, sie hätte den Gott fragen können, ob der etwas über den Verbleib ihrer toten Schwester zu sagen hatte. Doch unter den reinigenden Fluten vergaß sie beinahe alles, auch diese Frage. Elisa fand sich in einem festen Klammergriff wieder. Der Gott hatte sie in seine Griffel bekommen. Es berührten sie klumpige Finger und Zehen, umschlangen sie Arme und Beine und Schwänze - weniger störte ihr Geweih, denn es entpuppte sich als helfender Abstandhalter. Sehr schnell verging ihr jedoch trotzdem Hören und Sehen - und das Atmen sowieso. Oben war unten und unten war oben. Wasser bestand nur aus Spritzern und nasser Menge. Wiederholt wurde sie in den Schlamm getunkt, versank bis zu den Knien, bemerkte, wie man sie hinauf zerrte. Der Molch war rutschig. Sie war rutschig. Es rutschte und flutschte nur so im Wasser. Schuld daran war nur das Sonnenöl. Doch wer sie sah, sah einen Kampf um Leben und Tod und der Gott war immer dabei. Unter den Händen des fleißigen Rettungsschwimmers aber, der nun einmal der Bademeister war, glitt sie weiter von einer erretttenden Position in die andere. Ein ausgeklügelter Rettungsgriff folgte dem Nächsten, fand seine Anwendung an ihrem gekrümmten Körper. Fast ersoffen, aber auf alle Fälle gut durchgeweicht, zerrte man sie schließlich an Land.  

 

Dabei sang der Gott: 

  

  Erst werfe ich sie rein,

  dann rette ich sie.

  Erst werfe ich sie rein,

  dann sind sie mein.

  Gestoßen und Gerettet du nun bist.

Was ein gutes Mittel gegen gähnende Langeweile ist.

 

"Willst du noch ein Blatt von meinen Unbezwinglichen? Eine Tochter ist schlimmer als die andere, nicht war? Nein?"

 

Für einen Moment meinte sie, auf dem Schädel des Gottes ein ebenso mächtiges Gehörn wie das ihre sehen zu können. Nein. Sie wollte niemals, nie mehr, etwas in den Mund gestopft bekommen. Nein! Nein! Vielen Dank und Dankeschön noch mal! Doch war die Vorgehensweise eines Allmächtigen keineswegs immer von Erfolg gekrönt. Der Beschützer der Götterbohne schien allenfalls unzufrieden. Und sie? Die Frage war doch, sollte sie überhaupt gerettet werden? Sie blieb doch immer noch die krumme Elisa - mit Geweih. Da hatte auch das eigenwillige Unterwasserballett nichts daran ändern können. Der Gott hingegen verließ sie nun. Er streifte sie ab, behandelte sie wie einen vollgesogenen Blutegel. Auf zwei Beinen laufend, gestützt von seinem Schwanz, schleppte er Elisa noch bis zum Rand der Lichtung. Triefend und nass und sperrig wie sie war, behörnt wie zuvor, entsorgte man sie einfach am Waldesrand.  

 

"Du schmeckst nach Verlust. Vermisst wohl deine Schwester Martha. Ist nicht hier. Habe ich nicht ersoffen! Denke ich! Versuche es im Tollhaus. Schwestern gibt es schließlich zu viele als dass ich wüsste, wer mir jeden Tag so begegnet", rief er noch. Ein wegweisendes Wort, kurz und bündig und nicht viel mehr. Während der Gott der Götterbohne, ihr geifernder, eifernder Hüter und der ihrer Ableger, pfeifend und singend entwich:

 

Im Vorbeigehen rette ich sogleich

ein paar Nymphen aus grober Gefahr.

Wollen sie auch nicht gleich, wie ich es will.

am Ende doch halten sie alle nur zu gerne still.

Füttere ich sie noch mit meinem Grün,

bleiben sie für immer schöööön,

werden nie, nie, niemals alt.

Unter Wasser sind sie ohnehin alle kalt.

 

Denn das hier ist mein Teich.

Ich bin ein Gott und das ist mein Reich.

Und bei mir ward´ noch jeder weich.

Ich bin Schwimmmeister.

Ich bin Gott.

Nix ist gelogen. Es gibt nix, was ich nicht sah.

Und ich bin Rettungsschwimmer.

Ich bin Gott.

Nix ist gelogen, alles ist wahr.

Ich bin Bademeister.

Ich bin Gott...

 

 

 

  

* Die große Enzyclopädie der Kräuter/Anbau. Pflege. Verwendung. Jessica Houdret, Kosmos, Schwarzes Bilsenkraut. S. 163.

** http://dewikipedia.org/wiki/Schwarzes_Bilsenkraut

*** Lexikon der Heilpflanzen und ihrer Wirkstoffe, Birgit Frohn. Weltbild, S. 113 ff

**** Steinbachs "Großer Pflanzenführer", Weltbild. S. 150.

***** http://www.magicgardenseeds.de/HyO02.

 

 

 

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Des Hasens Pfeffer oder Elisas Suche nach dem großen Huhn

  

 

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ISBN 978-3-8372-1259-4

ISBN 978-0-85727-191-4

 

128 Seiten

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